Im Laufe der Zeit ist der mittelalterliche Wehrturm der Rheinhessischen Ortsgemeinde Gau-Weinheim (D) wortwörtlich in Schieflage geraten. Für die Gemeinde jedoch kein Grund zur Besorgnis, sondern vielmehr zum Feiern. Denn beim »Tag des offenen Denkmals« am 11. September 2022 wurde der Gemeindeturm zum offiziell »schiefsten Turm« der Welt gekürt.
Am höchsten Punkt des Ortes, direkt neben der katholischen Kirche, steht das Wahrzeichen von Gau-Weinheim. Errichtet als Teil der mittelalterlichen Befestigungsanlage des Friedhofs, wurde der ursprüngliche Wehrturm 1749 zum heutigen Glockenturm mit seiner barocken Haube umgebaut. Im Jahre 1991 sanierte die Gemeinde ihr absolutes Wahrzeichen und begann sich zu fragen, ob das Gebäude nicht sogar rekordverdächtig schräg sei. Sie fanden heraus, dass der offiziell »schiefste Turm« der Welt nicht mehr der in Pisa ist – auch wenn der Volksmund noch immer etwas anderes behauptet. Denn bereits im Jahr 2007 wurde Pisa durch einen Turm im ostfriesischen Suurhusen abgelöst, der 5,19° geneigt ist. Der populäre Campanile in Pisa dagegen ist nach seiner Sanierung sogar nur noch 3,97° schief. Die Gau-Weinheimer waren sich sicher: »Unserer ist schräger!«.
Nicht umsonst bezeichnet sich die Gemeinde gern als »rheinhessisches Pisa«. Doch eine offizielle »Schrägheitsbestätigung« fehlte bis dato. Ortschronist Erwin Gottschlich wollte das ändern und meldete den Turm kurzerhand beim Rekord-Institut für Deutschland zur Prüfung an. Das Energie-Unternehmen EWR AG unterstützte das Vorhaben mit seiner EWR-Crowd.
Im Juli 2022 wurde eine aktuelle Messung vorgenommen, die eindeutig beweisen sollte, dass der Gemeindeturm schief genug für den Weltrekord ist. Das Rekord-Institut für Deutschland prüfte die eingereichten Unterlagen – und kam zu einem Ergebnis: mit dem durch die neue Messung bestätigten Neigungswinkel von 5,4277° verbessert der Gemeindeturm in Gau-Weinheim tatsächlich den Weltrekord!
So reiste RID-Rekordrichter Olaf Kuchenbecker am 11. September 2022 zur Pressekonferenz nach Gau-Weinheim, um dort den Weltrekord offiziell zu zertifizieren und Vertreter der Ortsgemeinde mit einer RID-Rekordurkunde auszuzeichnen. Der »Tag des offenen Denkmals« bot den geeigneten feierlichen Rahmen für diesen freudigen Anlass. Anschließend wurde der neue RID-Weltrekord auf der Kerb gebührend gefeiert.